Motivation durch Lob und Anerkennung? – Was wirklich wirkt
Von Prof. Dr. Waldemar
Führungskräfte wollen motivieren – und setzen oft auf Lob und Anerkennung. Doch wissenschaftliche Studien mit tausenden Teilnehmern zeigen: Lob verfehlt häufig seine Wirkung und kann sogar kontraproduktiv sein. Echte Motivation entsteht nicht durch äußere Belohnungen, sondern durch Sinn, Selbstverantwortung und persönliche Reife. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum Lob allein nicht genügt – und welche Faktoren Mitarbeitende wirklich antreiben.
Lob ist gut gemeint – aber oft wirkungslos
Zahlreiche Ratgeber empfehlen: Mitarbeitende täglich loben, außergewöhnliche Leistungen hervorheben, Belohnungen individuell abstimmen – aber bitte dosiert und glaubwürdig. So verständlich diese Empfehlungen sind: Sie verkennen den Kern. Denn sie zielen auf kurzfristige Verhaltenssteuerung statt auf langfristige Entwicklung. Der Effekt: Lob wird zum Mittel der Dressur – nicht der Wertschätzung.
Wenn Lob zur Dressur wird – und Würde verletzt
Wer Menschen über Lob zu bestimmten Verhaltensweisen bewegen will, behandelt sie wie Haustiere: gewünschtes Verhalten wird mit einem „Leckerli“ belohnt. Das mag kurzfristig funktionieren – ist aber auf Dauer entwürdigend. Menschen wollen ernst genommen werden, nicht manipuliert. Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi bringt es auf den Punkt: „Menschen wollen für einen Zweck arbeiten, nicht einfach nur für ihren Lebensunterhalt. Sie brauchen ein Ziel, das eine planlose Existenz in ein sinnvolles Abenteuer verwandelt.“
Forschung zeigt: Sinn sticht Lob
In unseren Forschungsprojekte mit sogenannten Hidden Champions – also mittelständischen Weltmarktführern – haben wir untersucht, wie echte Wertschätzung durch Führung entsteht. Die Ergebnisse wurden durch eine Stichprobe mit über 28.000 Teilnehmenden bestätigt (Pelz, 2016 und 2023):
- Wer den Sinn seiner Arbeit erkennt, ist motivierter, leistungsfähiger und zufriedener.
- Wer sich seine Anerkennung durch Leistung erarbeitet, entwickelt mehr Selbstvertrauen.
Eine typische Aussage: „Meine Arbeit hat einen tieferen Sinn als nur Einkommen oder Status.“
Zentrale Erkenntnis: Lob und Anerkennung sind am wertvollsten, wenn sie verdient sind – nicht wenn sie beliebig verteilt oder „verschenkt“ werden.
Motivation beginnt mit den Grundmotiven
Genauso wie eine Pflanze Licht und Nährstoffe braucht, benötigen Menschen bestimmte psychologische Bedingungen, um ihr Potenzial zu voll entfalten. Die moderne Motivationsforschung – insbesondere die Motivationstheorie von David McClelland sowie die Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan – identifizieren drei zentrale Grundmotive (Big Three):
Menschen brauchen das Gefühl, ein wertvoller Teil eines Teams oder einer Gemeinschaft zu sein. Fehlt diese soziale Verankerung, kreisen ihre Gedanken schnell um negative Gefühle wie Einsamkeit, Ablehnung oder Minderwertigkeit. Das Zugehörigkeitsmotiv ist tief im Menschen verwurzelt – und wird oft unterschätzt.
Genauso zentral ist das Leistungsmotiv: Der Wunsch, sich durch eigene Fähigkeiten weiterzuentwickeln, kreativ zu sein und persönliche Erfolge zu erleben. Wer nie Anerkennung für sein Können erfährt oder das Gefühl hat, seine Stärken nicht einbringen zu können, verliert auf Dauer die Motivation.
Besonders belastend ist die Frustration des Kontrollmotivs. Viele Menschen empfinden es als kaum erträglich, wenn über ihren Kopf hinweg entschieden wird, wenn sie nicht gefragt werden oder keinen Einfluss auf das haben, was sie direkt betrifft. Gefühle wie Ohnmacht, Abhängigkeit und Bedeutungslosigkeit sind typische Signale dafür, dass ihr Bedürfnis nach Autonomie verletzt wurde.
Wenn diese Grundmotive dauerhaft unbefriedigt bleiben, kippt die Stimmung. Für frustrierte Menschen wird selbst die kleinste Anstrengung zur Überforderung. Die Leistungsbereitschaft sinkt auf null – nicht aus Faulheit, sondern aus innerer Erschöpfung. Dieses Phänomen kann ein Hinweis auf sogenannte „Bore-out“-Zustände sein – also Stress durch chronische Unterforderung, im Gegensatz zum „Burn-out“, der durch Überforderung entsteht.
Die Aufgabe der Führungskraft ist es daher, ihren Mitarbeitenden zu zeigen:
- wie sie als wertvoller Teil des Teams wahrgenommen werden,
- wie sie ihre Stärken weiterentwickeln,
- und wie sie Verantwortung und Einfluss übernehmen können.
Das geschieht nicht durch Lob – sondern durch Coaching, Vorbild und konsequente Entwicklung.
Erfahren Sie mehr zum Thema Motivation auf unserer Seite "Motiation - Wie sie sich selbst nd andere wirksam motivieren".
Fallbeispiel: Erfolgreich – und innerlich leer
Thomas Z. war jahrelang einer der besten Verkäufer seines Unternehmens – gemessen am Deckungsbeitrag. Doch je erfolgreicher er nach außen wirkte, desto mehr entglitt ihm die Motivation im Inneren.
Er machte seine Arbeit wie immer – effektiv, aber ohne Entwicklung. Sein Leistungsmotiv verkümmerte, weil er nichts Neues mehr lernte. Sein Beitrag zum Team wurde negativ wahrgenommen; Kollegen empfanden ihn als gereizt und unnahbar – das Zugehörigkeitsmotiv blieb unbefriedigt. Und als er zunehmend Einfluss auf interne Prozesse verlor, wurde er still, frustriert – und irgendwann resigniert.
Trotz guter Verkaufszahlen rutschte er in eine depressive Phase. Nach außen funktionierte er, aber innerlich war er leer. Keine Anerkennung von außen konnte das kompensieren. Sein wirtschaftlicher Erfolg hielt noch kurz – dann brach auch dieser ein.
Sein Problem war kein Mangel an Lob und Anerkennung – sondern die Frustration (Enttäuschung) seine Grundmotive.
Reife fördern statt Belohnung verteilen
Führungskräfte, die auf Belohnung setzen, fördern kurzfristiges Mitläufertum statt langfristige Reife. Wer den Sinn nicht erkennt, reagiert oft opportunistisch: mit Anpassung statt Eigenverantwortung. Wer jedoch klare Ziele kennt, die auf gemeinsamen Werten beruhen, erlebt echte Erfolgsmomente – die kein Lob ersetzen kann.
Fokus auf Selbstvertrauen, Lernen und Feedback
Unsere Studien zeigen: Menschen mit starkem Selbstvertrauen sind kaum auf formales Lob angewiesen – auch wenn sie sich durchaus darüber freuen. Sie handeln aus innerer Überzeugung, übernehmen Verantwortung und sind offen für persönliches Wachstum. Was sie auszeichnet:
- Sie verstehen sich als aktiver Teil eines Teams und bringen sich gezielt ein.
- Sie lernen kontinuierlich, reflektieren ihr Verhalten und entwickeln ihre Stärken systematisch weiter.
- Sie wissen, welchen Beitrag sie zum gemeinsamen Erfolg leisten – und wie sie ihn verbessern können.
Diese Menschen suchen nicht nach Lob oder Anerkennung – sie verdienen sie. Und mehr noch: Ihr Erfolgsgeheimnis liegt in der aktiven Suche nach Feedback. Sie fordern Rückmeldungen ein – nicht, um Bestätigung zu erhalten, sondern um zu lernen und besser zu werden.
Eine gelebte Feedback-Kultur ist daher nicht nur Ausdruck von Reife – sie ist auch ein zentrales Merkmal erfolgreicher Unternehmen. Erfahren Sie mehr zum Thema Fedback auf unserer Seite "360-Grad-Feedback".
Leistung ist der Maßstab – nicht Nettigkeit
Was soll eigentlich gelobt werden? Die Antwort ist klar: Leistung – messbar durch Qualität, Kundenfeedback, Innovationskraft und Produktivität. Doch viele Unternehmen scheuen objektive Maßstäbe. Stattdessen dominieren weichgespülte Visionen und unkonkrete Werte. Wer darauf Lob verteilt, verliert an Glaubwürdigkeit.
Wertschätzung braucht Ehrlichkeit und Perspektive
Natürlich sind Umsatz und Rendite keine Selbstzwecke – sie sind wie Sauerstoff: lebensnotwendig, aber nicht sinnstiftend. Der wahre Antrieb sind motivierte Mitarbeitende, die wissen:
- was ihr Beitrag im Unternehmen ist,
- welche Entwicklungsmöglichkeiten sie haben,
- und wie sie Verantwortung übernehmen können.
Dann entsteht echte Wertschätzung – ganz ohne künstliches Lob. Sie zeigt sich in Verantwortung, Kundenfeedback, Selbstwirksamkeit und innerer Zufriedenheit.
Wissenschaftliche Quellen und weiterführende Informationen
Theoretische Grundlagen zur Motivation
- McClelland, D. C. (1985): Human Motivation. Cambridge University Press.
→ Grundlagen zu Leistungsmotiven und Erfolgsmotivation. - Deci, E. L. & Ryan, R. M. (2002): Handbook of Self-Determination Research. University of Rochester Press.
→ Entwicklung der Selbstbestimmungstheorie (Autonomie, Kompetenz, soziale Eingebundenheit). - Csikszentmihalyi, M. (1990): Flow – The Psychology of Optimal Experience. Harper & Row.
→ Bedeutung von Sinn, Zielorientierung und intrinsischer Motivation.
Eigene empirische Forschung
- Pelz, W. (2023): Persönlichkeit gewinnt – Der berufsbezogene Persönlichkeitstest (BPT). Schäffer-Poeschel Verlag.
→ Empirisch validiertes Modell mit über 30.000 Teilnehmerdaten.
Zur Testseite mit Hintergrundinformationen - Pelz, W. (2024): Führungstalente objektiv beurteilen – Wissenschaftlich fundierte Indikatoren für Führungspotenzial. Springer Gabler Verlag.
→ Kriterienbasierte Auswahl und Entwicklung von Führungspersönlichkeiten. - Pelz, W. (2016): Transformationale Führung – Forschungsstand und Umsetzung in der Praxis. In: Au, Corinna von (Hrsg.): Leadership und angewandte Psychologie, Band 1, Springer Verlag, Berlin.
→ Wirkmechanismen und Praxisbeispiele aus der Führungsforschung.
360-Grad-Feedback als Praxisinstrument
Zugehörige Themen: Burn-out und Bore-out
- Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (aktuelle Ausgabe):
→ Burn-out: Chronisches Erschöpfungssyndrom durch anhaltende Überforderung.
→ Bore-out: Stress durch Sinnverlust und chronische Unterforderung. - Rothlin, P. & Werder, P. (2009): Diagnose Boreout – Warum Unterforderung im Job krank macht. Mosaik Verlag.
→ Einführung und empirische Befunde zum Bore-out-Syndrom.
Hinweis:
Eine frühere Fassung der Grundgedanken dieses Beitrags erschien ursprünglich als Gastartikel in der Zeitschrift managerSeminare unter dem Titel „Mit Lob werden Mitarbeiter dressiert“. Die vorliegende Version wurde erweitert, aktualisiert und um neue Forschungsergebnisse sowie Praxisbeispiele ergänzt.
Über den Autor
FAQ: Motivation durch Lob und Anerkennung
Motiviert Lob und Anerkennung wirklich?
Kurzfristig ja – es kann beflügeln. Nachhaltig motiviert Lob aber selten. Deine Daten und die Forschung (u. a. Selbstbestimmungstheorie) zeigen: Entscheidend sind Sinn, echte Verantwortung und Lernchancen. Diese Faktoren stärken Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit – die wahren Treiber der Motivation.
Wann kann Lob sogar schaden?
Wenn Lob als Steuerungsinstrument wirkt („Dressur“) oder inflationär vergeben wird. Dann senkt es wahrgenommene Autonomie, erzeugt Abhängigkeit von äußerer Bestätigung und kann zu Zynismus führen. Besser: konkrete Rückmeldung zur Wirkung der Leistung und Übertragung von Verantwortung.
Was unterscheidet Wertschätzung von Lob?
Lob ist meist situationsbezogen und pauschal („Gut gemacht!“). Wertschätzung bezieht sich auf Person, Beitrag und Wirkung – konkret, respektvoll, glaubwürdig. Sie adressiert Kompetenz und Sinn und wirkt darum nachhaltiger als bloße Anerkennungsfloskeln.
Welche Faktoren fördern nachhaltige Mitarbeitermotivation?
Sinnvolle Ziele und Kontext, echte Entscheidungsspielräume, qualitatives Feedback zur Kompetenzentwicklung, psychologische Sicherheit sowie Wachstumsmöglichkeiten. Diese Bedingungen ermöglichen Flow-Erleben und stärken die innere Motivation.
Wie sollten Führungskräfte Anerkennung im Alltag zeigen?
Konkret und wirkungsbezogen: Beitrag benennen, Wirkung beschreiben, nächste Lernschritte vereinbaren. Verantwortung übertragen, Hindernisse entfernen, Zugang zu Ressourcen sichern. Fokus auf Sinn, Selbstverantwortung und Entwicklung – nicht auf Belohnungsrituale.